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Mai im Regen

Einsam ist’s.

Inmitten der dreckigen, kreischenden, pulsierenden Verkehrsader stehe ich auf dem kleinen Inselchen.

Ich lasse mich von den feinen Tröpfchen bewässern, die von den Autoreifen hochgeschleudert werden, schließe die Augen und rieche den nassen Asphalt. Ich öffne sie wieder. Der Geschmack eines Döners hallt in meinem Mund nach und ich spüre, wie ein feuchter Zug langsam meine Jacke durchnässt. Durch meine Poren dringt.

Augenblicke des Glücks.

So schnell verschwunden, wie sie gekommen sind, sind sie doch nichts weiter als ein kurzes Aufwachen. Eine kurze Flucht aus der Stupidität des Alltags.

Bevor ich wieder einschlafe.

Von der Routine aufgelöst verschmelzen die einzelnen Tage in meinem Gedächtnis zu einem Klumpen Zeit, nicht besonders lang, nicht besonders spannend, nicht besonders schlecht. Durchschnittlich.

Langsam fange ich an zu frieren, ich ziehe den Reißverschluss meines Zip-ups hoch und schlinge meine Arme um meinen Körper.

Was hat Zeit schon groß zu sagen, wenn am Ende sowieso nur die Hoch- und Tiefpunkte hängen bleiben?

Ein komfortables Leben in einer hypothetischen Zukunft – Ist es das, worauf ich hinarbeite, worauf wir hinarbeiten, worauf die Gesellschaft sich stützt? (Existenz)Angst als Sprungfeder, dabei sind die Glücksmomente oder deren Gegenteile das einzige, was später zählt, wenn die individuelle Zukunft einer Zukunft der Gesellschaft weicht.

Einsam ist‘s.

Die Ampel wird endlich grün, ich verlasse die Verkehrsinsel und bahne mir eine Schneise durch die Wasserlachen.

Der temporäre Fokus und alles was mal wichtig war verschwindet, ein Film von kurzen, zusammenhangslosen Erinnerungen ist das einzige, was ich bei mir trage, hier, im Regen, an der Kreuzung.

Was, wenn das das Ende wäre? Was bliebe, außer Erinnerungen und einer Kreuzung im Mai bei Regen?


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